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Stellungnahme des Landesfrauenrats zum Änderungsantrag Chancengleichheitsfördergesetz

Der Gesetzesentwurf verspricht deutliche Verbesserungen im Gewaltschutz in Thüringen, lässt aber bei den Interventionsstellen Punkte offen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir danken Ihnen für die erneute Gelegenheit zu dem Gesetzesentwurf der Neufassung des Chancengleichheitsfördergesetzes Stellung zu nehmen. Wir freuen uns, dass einige Anregungen unserer ersten Stellungnahme in den Änderungsantrag eingeflossen sind. Angesichts der angespannten Haushaltslage auf Bundesebene, möchten wir darauf drängen, mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Thüringen nicht auf Maßnahmen der Bundesregierung zu warten. Im Sinne der Betroffenen ist eine zügige Umsetzung des vorliegenden Gesetzesentwurfs notwendig, die gestiegenen Zahlen häuslicher Gewalt in Thüringen verdeutlichen die Dringlichkeit.

I, Artikel 1 Neufassung des Thüringer Chancengleichheitsfördergesetzes

Zu 3.) §4 Absatz 1: Wir begrüßen die Aufnahme digitaler Gewalt in die Definition. §4 Absatz 4: Uns fehlt hingegen weiterhin ein Passus zu ambulanten Fachberatungsstellen, in dem klar wird, dass auch andere Träger als stationäre Gewaltschutzeinrichtungen für ambulante Beratung förderberechtigt sind. Eine Regelung zur Finanzierung von Fachberatungsstellen, z.B. zu häuslicher Gewalt, weiblicher Genitalverstümmelung oder sexualisierter Gewalt ist wünschenswert.

Zu 5.) §6 Absatz 3: Der Landesfrauenrat begrüßt die Änderung. Die Angemessenheit der Sach- und Verwaltungskosten sollte sich an den Qualitätsstandards der Frauenhauskoordinierungsstelle orientieren.

Zu 6.) §6 Absatz 4 Satz 2: Die Einrichtung einer Übergangsregelung befürworten wir, da sie verhindern kann, dass Frauenhäuser aus der Förderung fallen. Die Formulierung „soll“ ist hier vor der Formulierung „kann“ zu bevorzugen. Fraglich ist, welche Standards der Barrierefreiheit angelegt werden, welche Institution diese kontrolliert und wie entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten beim barrierefreien Um- und Ausbau durch das Land oder andere Stellen aussehen könnten. Die Eigentumsverhältnisse der Schutzeinrichtungen können beim barrierefreien Aus-/Umbau eine Hürde darstellen.

Zu 7.) §6 Absatz 6: Wir begrüßen die Ausweitung des Gesetzestexts, da die Formulierung „aufgrund von Geschlecht oder geschlechtlicher Identität“ umfassender ist als „nicht weiblich“. Die Begründung geht, aus unserer Sicht, hinter die Formulierung des Gesetzestexts zurück, da diese sich wiederum auf „sich nicht als weiblich definierende Personen“ bezieht, es wird empfohlen, die Formulierung des Gesetzestexts hier zu übernehmen. Wie in unserer Stellungnahme vom 24.08.2023 ausgeführt, stellen wir uns pro Planungsregion eine Schutzwohnung vor, der Begriff „angemessen“ lässt großen Handlungsspielraum.

Zu 9.) §6a: Der Landesfrauenrat befürwortet die Einführung einer Evaluierung der Anwendung und Wirksamkeit des Gesetzes.

Zu 10 und 11.) §7: Der Personalschlüssel mit 2 VZÄ ist nicht ausreichend. Es werden in jeder Interventionsstelle mind. 2 VZÄ für Fachberaterinnen benötigt, zudem 0,5 VZÄ für Geschäftsführung und für die Zusammenarbeit mit der Polizei weitere 0,13 VZÄ je Vollzeitstelle (weitere Ausführungen sind in den Qualitätsstandards der Frauenhauskoordinierung zu finden). Die pro-aktive Beratung von mitbetroffenen Kindern nach häuslicher Gewalt, wie im Projekt „Sag‘s weiter“, dass in Gera in Kooperation mit dem Kinderschutzdienst stattfindet, sollte in allen Interventionsstellen zur Verfügung stehen. Eine Festschreibung der Förderung im vorliegenden Gesetz scheint uns geeignet (mind. 0,5 VZÄ pro Interventionsstelle). Da die Einzugsgebiete aktuell sehr groß sind, regen wir den Aufbau weiterer Interventionsstellen an. Wir stellen uns eine Interventionsstellen pro Landespolizeiinspektion vor.
Zur Aufgabenbeschreibung (Absatz 2) verweisen wir auf die Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft der Interventionsstellen vom August 2023. Durch die Ergänzung des Begriffs „proaktiv“ wird die Aufgabenbeschreibung korrigiert, ist aber weiterhin unvollständig.

III, Artikel 3 Inkrafttreten

Zu 2.) Wir bedauern die Verschiebung der Inkraftsetzung von 01.01.2024 auf 01.07.2024 und möchten eindringlich darauf hinwirken, dass dieser Zeitpunkt eingehalten wird.

Beantwortung des Fragenkataloges der Fraktion der CDU

Zu 2.) Wir sprechen uns dafür aus, dass der Anspruch auf Schutz vor Gewalt jeder Person unabhängig von ihrem Wohnort oder Aufenthaltsstatus offensteht. So können vorhandene Plätze besser genutzt werden und Schutzsuchende sind flexibler darin zu entscheiden, welche Schutzeinrichtung für die Fortführung ihres Alltagslebens und ihre Sicherheit zuträglich ist.

Zu 3.) Eine Doppelförderung durch bspw. Bürgergeld und die Übernahme der Kosten und Verpflegung durch das Land sehen wir nicht. Die Schutzsuchenden versorgen sich über den Regelsatz selbst und erhalten keine Verpflegung oder Sachleistungen von Frauenhäusern oder möglichen anderen Schutzeinrichtungen. Die bisherige Praxis, Unterkunftskosten über eine Abtretungserklärung mit den Sozialleistungsträgern abzurechnen, entfällt, sobald die Kosten der Frauenhäuser komplett durch das Land übernommen werden.

Eine zeitliche Begrenzung der Aufenthaltsdauer ist aus Sicht des Landesfrauenrats klar abzulehnen. Die Mitarbeitenden der Schutzeinrichtungen unterstützen die Bewohner:innen stets dabei, schnellstmöglich eine eigene Wohnung zu finden. Die Aufenthaltsdauer im Frauenhaus muss einzelfallorientiert bleiben, gerade auch angesichts des angespannten Wohnungsmarktes und der unterschiedlichen Chancen, die es für bestimmte Personengruppen auf dem Wohnungsmarkt gibt (abhängig von finanziellen Mitteln, Kindern, Migrationshintergrund oder der Angewiesenheit auf Barrierefreiheit). Schutzsuchende dürfen nicht aufgrund einer begrenzten Aufenthaltsdauer in ihr gewaltgeprägtes Umfeld zurückgedrängt werden.

Erfurt, 19.01.2024

Weitere Informationen zum Gesetzesverfahren finden Sie hier: Link zur Webseite.

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