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Stellungnahme zur Ausführung des Prostituiertenschutzgesetzes

Thüringer Gesetz zur Ausführung des Prostituiertenschutzgesetzes sowie zur Thüringer Verordnung zur vorläufigen Ausführung des Prostituiertenschutzgesetzes sowie kostenrechtlicher Regelungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Möglichkeit zu den o.g. Entwürfen Stellung nehmen zu können. Wir freuen uns, dass der Gesetzentwurf und die Verordnung zur Ausfüh-rung des Prostituiertenschutzgesetzes vorliegen und damit die lange Zeit der Rechtsunsicherheit beendet wird. Da Mitglieder des Landesfrauenrats Thüringen bei der einmaligen Tagung des Runden Tisches zur Ausführung des Prostituier-tenschutzgesetzes beteiligt waren, beziehen wir uns u.a. auf dessen Ergebnisse.

Anmeldung und Beratung

Die angestrebte dezentrale Registrierung in Thüringen war Ergebnis des Runden Tischs und wird von uns befürwortet.

Die Trennung des Gesprächs zur Registrierung von der gesundheitlichen Beratung ist aufgrund der Vertraulichkeit gesundheitlicher Themen zu begrüßen. Für die gesundheitliche Beratung empfehlen wir die Einrichtung einer zentralen Stelle, welche die fachliche Expertise für die Beratung der Prostituierten mitbringt. Die Beratung sowohl bei der Anmeldung als auch in der gesundheitlichen Beratung, ist durch Fachpersonal abzusichern. Konkret bedeutet es, dass die gesundheitliche Beratung von medizinisch ausgebildetem Personal durchzuführen ist, mit der Möglichkeit bei zusätzlichen Fragen auf ärztliche Fachkompetenz zuzugreifen. Aufgrund der Vertraulichkeit des Beratungsgesprächs und der vielfältigen Problemlagen der Prostituierten, benötigen die Berater:innen (§7 Prostituiertenschutzgesetz) umfassende Beratungskompetenzen, wie sie bspw. Sozialarbeiter:innen oder Sozialpädagog:innen besitzen.

Für sämtliche Beratungsgespräche muss die Möglichkeit des Dolmetschens vorhanden sein. Die Mehrzahl der in Thüringen arbeitenden Prostituierten besitzt keine deutsche Staatsbürgerschaft und viele von ihnen sprechen kein oder nur wenig Deutsch. Insofern müssen sowohl die Beratungsgespräche als auch die Informationsmaterialien in verschiedenen Sprachen angeboten werden.

Ein Großteil der Prostituierten – sowohl männliche als auch weibliche – sind belastet durch Gewalterlebnisse, die sie in der Regel durch Männer erfahren haben. Schwere psychische Belastungen und Traumatisierungen mit den entsprechenden Folgen müssen bei Prostituierten vermutet werden. Um die Beratungssituation nicht durch mögliche Traumafolgeerscheinungen etc. zu belasten, soll den Prostituierten das Wahlrecht eingeräumt werden, sich von einer Frau oder einem Mann beraten zu lassen.

Sowohl im Gesetz als auch in der Verordnung wird auf Beratungsangebote wie die der Frauenhäuser weiterverwiesen. Dies sehen wir kritisch und wünschen uns eine Streichung des Satzes in beiden Entwürfen. Frauenhausmitarbeiterinnen sind Expertinnen für Beratungen im Gewaltschutz. Aber in Bezug auf die spezielle Situation der Prostituierten, gerade mit Berücksichtigung der Zwangsprostitution und damit zusammenhängend Organisierter Kriminalität, fehlt die fachliche Expertise in den Thüringer Frauenhäusern. Die Thüringer Frauenhäuser sind zudem bereits stark ausgelastet und haben nicht genügend personelle Kapazitäten für diese zusätzliche Beratung. Da die Beratung in den Frauenhäusern nicht durch das Land finanziert wird, sollte auf diese auch im vorliegenden Gesetz bzw. der vorliegenden Verordnung nicht verwiesen werden.

Statt dem Weiterverweis auf existierende Beratungseinrichtungen wünschen wir uns einen Verweis auf die entstehenden Beratungsstellen für Prostituierte bzw. für Opfer von Menschenhandel und eine schnelle Inbetriebnahme dieser. Das Gesetz könnte zudem die rechtliche Grundlage für beide Beratungsstellen stellen.

Zuständigkeiten

Wir fragen uns, ob es zielführend ist, die Zuständigkeiten nur für die Landkreise und kreisfreie Städte zu erteilen, in denen Prostitution nicht verboten ist. Zwar sind alle Kreise für die Überwachungsaufgaben nach §31 ProstSchG zuständig, jedoch können aus illegaler Prostitution andere Aufgaben als die im § 31 genannten Überwachungsaufgaben entstehen. Um einen Zustand zu vermeiden, in dem keine Behörde zuständig ist, empfehlen wir den Satzteil „soweit in den jeweiligen Gebieten zumindest teilweise kein Verbot zur Ausübung der Prostitution entgegensteht“ zu streichen.

Das Prostituiertenschutzgesetz betrifft verständlicherweise mehrere Ministerien. Insofern ist eine Zusammenarbeit der Ministerien wie in §1 Abs. 6 erforderlich. Jedoch fehlt die Benennung eines Ministeriums, welches für die Koordinierungsaufgaben verantwortlich ist und die Entscheidungskompetenz besitzt. Dies kann unserer Meinung nach zu Unklarheiten führen: Einerseits in Bezug auf die internen Abläufe – welches Ministerium ist für eine Frage abschließend zuständig - und andererseits im Kontakt mit Bürger:innen und Verwaltungsbehörden – wer ist der/die richtige Ansprechpartner:in.

Verwaltungskostenfreiheit

Wir begrüßen ausdrücklich, dass Prostituierte nicht mit Gebühren und Auslagen belastet werden, da die abschreckende Wirkung einer solchen Gebühr Prostituierte in die Illegalität drängen würde und die finanzielle Lage vieler Prostituierten prekär ist. Allerdings könnten andere als die benannten Gebühren des Abschnittes 2 des Prostituiertenschutzgesetzes anfallen. Hier wünschen wir uns eine eindeutige Formulierung, welche sämtliche Gebührenerhebung ausschließt.

Kontrollen durch und mit Polizei

Aus Fachkreisen wird die nach wie vor bestehende diskriminierende Sonderbehandlung von Sexarbeit und Prostitutionsgewerbe an der Rolle der Polizei bei der Umsetzung des ProstSchG festgemacht. Diese umfangreichen Kontrollmöglichkeiten beschneiden die Privatsphäre der Prostituierten und rücken auch legale Sexarbeit und angemeldete Prostituierte in die Nähe der Illegalität.

Datenerfassung und Evaluierung der Wirksamkeit der Verordnung

Da die Lebensumstände von Sexarbeiter:innen oft unbekannt und damit auch kaum zielgenau zu verbessern sind, wünschen wir uns eine umfangreiche Datenerfassung, welche die psychosozialen Situation, die finanzielle Lage, die Aufenthaltsdauer sowie die Nutzung der bestehenden Beratungsangebote betrifft. Anhand dieser Daten stellen wir uns eine regelmäßige Evaluierung der vorliegenden Verordnung vor, auf deren Grundlage die bestehenden Angebote und Gesetze angepasst werden.


Erfurt, 23.04.2021

Andrea Wagner, Vorsitzende 
Friederike Theile, Geschäftsführerin

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