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Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zum Thüringer Chancengleichheitsfördergesetz

Ausbau und Förderung von Einrichtungen und Angeboten des Gewaltschutzes

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Gelegenheit zu dem oben genannten Gesetzesentwurf Stellung nehmen zu können. Dass mit dem Entwurf ein Ausbau der Strukturen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und der entsprechenden Schutzeinrichtungen vorliegt, begrüßen wir ausdrücklich. Wir freuen uns, dass durch das Gesetz die Förderung für Schutzeinrichtungen wieder in Händen der Landesregierung liegen wird und damit eine flächendeckende Versorgung gewährleistet werden kann. In allen Förderbereichen, die das Gesetz betreffen, ist aufgrund der Strukturen in oft sehr kleinen Einheiten und Vereinen unabdingbar, dass der Aufwand für Mittelbeantragung und Verwendungsnachweise gering gehalten oder reduziert wird. Darüber hinaus ist die stabile Zusicherung der Fördermittel unabhängig von politischen Verhältnissen notwendig und wichtig. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist in einigen Bereichen stark ausdifferenziert, während er in anderen Bereichen auf einer allgemeinen Ebene bleibt. In unsere Stellungnahme sind Einschätzungen zahlreicher Mitgliedsverbände des Landesfrauenrats Thüringen geflossen, in einigen Fällen ist dies verdeutlicht.

Artikel 1 Neufassung des Thüringer Chancengleichheitsfördergesetzes

§4 Schutzeinrichtungen – Anspruchsberechtigte und Einrichtungsstandards

Absatz (1): Der Begriff der Schutzeinrichtungen sollte im Gesetz oder in einer Verordnung definiert werden. Außerdem wird die im Gesetz vorliegende Definition von Gewalt als zu ungenau bewertet, als Gegenvorschlag empfehlen die Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten die Definition der Istanbul Konvention, Artikel 3b, heranzuziehen: “häusliche Gewalt bezeichnet [...] alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen bzw. Partnern vorkommen, unabhängig davon ob der Täter bzw. die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte”, „[dies] betrifft Personen jeden Geschlechts und Alters“. Eine Ergänzung der Definition um „digitalisierte Gewalt“ erscheint uns als sinnvoll, da dieses Aufgabenfeld an Bedeutung zunimmt.

Absatz (2): Positiv bewerten wir die flächendeckende Verteilung von Familienplätzen und den Bezug zu Barrierefreiheit und der Berücksichtigung verschiedener Lebensumstände. Der Zugang für alle schutzsuchenden Personen zu Schutzeinrichtungen ist von großer Bedeutung. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die Schutzeinrichtungen entsprechende Unterstützung durch Land oder Kommunen beim Umbau ihrer Einrichtungen oder bei der Suche nach neuen Einrichtungen bekommen. Die LAG der Frauenhäuser betont, dass für Betroffene mit spezifischen Bedarfen eine Finanzierung von zusätzlichem Fachpersonal notwendig ist.

Absatz (3): Eine Ausstattung mit Einrichtungsgegenständen, die die gesundheitliche und psychische Disposition der Bewohner:innen von Schutzeinrichtungen unterstützen, sollte gefördert werden. So weist der Landessportbund ausdrücklich auf die positive Wirkung von Sport für Kinder, Jugendliche und Erwachsene hin. Bei der Anschaffung von Sportgeräten ist auf eine barrierefreie Nutzung zu achten. Der Landessportbund bietet Beratung bezüglich sportlicher Einrichtungsgegenstände für das zuständige Ministerium an.

Absatz (4): Im Gesetzesentwurf werden ambulante Hilfeeinrichtungen mit stationären Gewaltschutzeinrichtungen verbunden. Dieses kann aus unserer Sicht sinnvoll sein, aber auch andere Träger sollten für den Aufbau ambulanter Einrichtungen förderberechtigt sein.

Der Landesfrauenrat spricht sich dafür aus, alle 5 Jahre ein Controlling des Gesetzes durchzuführen.

§5 Schutzeinrichtungen – Aufnahmeanspruch, Aufgaben und Personal

Wir begrüßen die auskömmliche Finanzierung der Schutzeinrichtungen. Die Inanspruchnahme von ambulanten und stationären Einrichtungen muss kostenlos zur Verfügung stehen.

§6 Schutzeinrichtungen – Aufgabenfinanzierung und Vorhaltepflicht

Absatz (2): Als positiv bewerten wir, dass eine Stelle für die Betreuung und Beratung von im Haus lebenden Kindern geschaffen wird, sodass eine bedarfsgerechte Unterstützung für diese vorhanden ist. Zur Integration in sichere soziale Gefüge könnten sowohl für Kinder als auch für Erwachsende, die Kooperation mit Vereinen, seien sie sportlicher oder kultureller Art, hilfreich sein.
(6) Die Schaffung einer barrierefreie Schutzwohnung für nicht-weibliche Personen ist aus Sicht des Landesfrauenrats Thüringen zu wenig, da sie zu keiner flächendeckenden Versorgung führt. Fraglich ist zudem, ob in einer Schutzeinrichtung für nicht-weibliche Personen auch trans Frauen Zuflucht finden könnten oder ob hier eine andere Begrifflichkeit gewählt werden muss. Wir stellen uns vier Schutzwohnungen vor, die über die verschiedenen Planungsregionen in Thüringen verteilt sind.

§7 Förderung von Interventionsstellen

Absatz (2): Die Aufgaben der Interventionsstellen müssen überarbeitet werden, hier fehlt im Gesetzestext insbesondere die pro-aktive Beratung nach Polizeieinsätzen. Zudem sind die Interventionsstellen als spezifische Beratungsstellen für „Unterstützungs-, Informations- und Beratungsangebote als Hilfe zur Selbsthilfe und in besonderen Lebenslagen“ benannt, was nicht ihrer derzeitigen Arbeit entspricht.

Absatz (4): Das Gesetz bleibt bei der Finanzierung und Ausstattung der Interventionsstellen ungenau, gerade im Vergleich mit den detaillierten Beschreibungen bezüglich der Förderung von Schutzeinrichtungen. Wir wünschen uns im Gesetz eine Ergänzung, die eine angemessenen Finanzierung von Sach- und Unterhaltskosten der Einrichtungen sowie eine Aufstockung der Personalkosten (u.a. Finanzierung einer Verwaltungskraft) festlegt. In den letzten Jahren sind verschiedene, mit Mehraufwand verbundene, Aufgaben hinzugekommen, wie Beratung bei digitalisierter häuslicher Gewalt, Beratung von Migrant:innen und die Arbeit im Bereich Hochrisikomanagement, welche zukünftig ausgebaut werden soll. Um diese Aufgaben in entsprechender Qualität erfüllen zu können, ist eine Personalaufstockung aus Sicht des Landesfrauenrats unabdingbar. Die Erarbeitung einer Aufstellung, die Qualitätsstandards und Ausstattung der Interventionsstellen je nach Einwohnerzahl festlegt, ist daher geboten. Eine solche Aufstellung ist durch das zuständige Ministerium in enger Zusammenarbeit mit den Interventionsstellen und Verbänden auszuarbeiten.

§9 Förderung von Frauenzentren

Absatz (1): Der Absatz sollte geändert werden, um klarzustellen das Frauenzentren im Sinne dieses Gesetzes mit ihren Unterstützungs-, Informations- und Beratungsangeboten Teil des sozialen Gewaltschutzangebotes sind. Hierfür wäre eine Definition der Aufgaben eines Frauenzentrums im Gesetzestext notwendig. Ein Ausbau der Frauenzentren für die Bedarfe von LSBTIQ* sollte überdies möglich sein.

Absatz (2): Die Förderung der Frauenzentren sollte nicht ausschließlich an die Befürwortung der regional zuständigen Gleichstellungsbeauftragten geknüpft sein, sondern durch spezifische Kriterien bzw. Qualitätsstandards festgelegt sein. Diese könnten u.a. von der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragen überprüft werden. Die LAG der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten empfiehlt, die bereits 2018/19 unter Federführung des TMASGFF erarbeiteten, jedoch bisher nicht in Kraft getretenen „Qualitätsstandards für Frauenzentren“ zu aktualisieren und die darin beschriebenen Standards als Fördervoraussetzung für Frauenzentren zu verankern. Eine Zusammenarbeit zwischen Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und Frauenzentren befürworten wir ausdrücklich.

Absatz (4): Der Absatz ist zu unkonkret. Über die Vergabe von LSZ-Mitteln entscheidet ausschließlich die Kommune, so gibt es aktuell keine garantierte Förderung durch das Land. Diese wäre aber aus Sicht des Landesfrauenrats angebracht.

Artikel 2 Inkrafttreten

Zu begrüßen ist, dass dieses Gesetz bereits am 01.01.2024 in Kraft treten soll. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum einige Kosten erst ab dem 01.01.2025 oder dem 01.01.2027 vom Freistaat übernommen werden. Bei der Umsetzung dieses Gesetzes ist wichtig, dass keine Finanzierungslücken entstehen.

Weimar, 24.08.2023
Julia Hohmann, Vorsitzende Landesfrauenrat Thüringen
Friederike Theile, Geschäftsführerin Landesfrauenrat Thüringen

Den Gesetzesentwurf und weitere Informationen zum parlamentarischen Prozess finden Sie hier: Link zur Webseite des Thüringer Landtags

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