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Offener Brief zu den geplanten Änderungen der Prozesskostenhilfe

Sehr geehrter Herr Justizminister Dr. Poppenhäger,

zurzeit wird im Deutschen Bundestag eine Änderung der Prozesskostenhilfe beraten. Vorgesehen ist die Verschlechterung des Zugangs zur Hilfe. Durch die Absenkung der Freibeträge sollen künftig sehr viel mehr Rechtsuchende als bisher die Hilfe nicht mehr kostenlos, sondern nur noch per Darlehen erhalten. Geplant ist, die zu zahlenden Raten zu erhöhen und den Zeitraum, innerhalb dessen die bewilligte Hilfe zurückgezahlt werden soll, von vier auf sechs Jahre zu erhöhen. Gleiches gilt für die Prüfung der Vermögensverhältnisse. Dies würde vor allem die wirtschaftlich schwächeren Prozessparteien bzw. Verfahrensbeteiligten treffen, von denen es in Thüringen viel zu viele gibt. Zum größten Teil (68 Prozent) wird Prozesskostenhilfe in der Familiengerichtsbarkeit beantragt und gewährt. In der Mehrzahl dieser Prozesse geht es um Sorgerechts-, Unterhalts- oder Scheidungsangelegenheiten. Eine Kürzung der Prozesskostenhilfe träfe überproportional Frauen und besonders Alleinerziehende und ihre betroffenen Kinder.

Deshalb sorgt die Erschwerung der Bewilligung von Beratungs-, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe aus unserer Sicht dafür, dass vor allem Frauen und alleinerziehende Eltern aus Angst vor den entstehenden Rechtsanwalts- und Gerichtskosten davon absehen, sich angemessen in einem Gerichtsverfahren vertreten zu lassen. Sie würden darauf verzichten, die eigenen Rechte vor Gericht wahrzunehmen. Die finanziell stärkere Partei – und diese ist meist männlich, wäre dann im Vorteil.

Die Instrumente der Beratungs- bzw. Prozess-/Verfahrenskostenhilfe wurden als sogenanntes „Armenrecht“ eingeführt, um auch der finanzschwachen Partei eines Rechtsstreits die Möglichkeit der effektiven Rechtsvertretung zu eröffnen. Mit den nun geplanten Änderungen wird dies zu Lasten der Betroffenen in einer Weise eingeschränkt, die an den Grundfesten der Rechtsstaatlichkeit rütteln.

Die Verfahrenskostenhilfe ist im Bereich des Familienrechts so wichtig, weil hier die Möglichkeit fehlt, das Verfahrenskostenrisiko durch eine Rechtsschutzversicherung abzusichern. Zu bedenken ist ebenfalls, dass erfolgreiche Unterhaltsverfahren dazu führen können, die Sozialsysteme zu entlasten, wenn dadurch Unterhaltszahlungen durchgesetzt werden.

Betroffen von den Änderungen sind in vielen Fällen auch Rechtsstreitigkeiten im Mietrecht oder bei Arbeitsgerichtsverfahren, in denen dann die wirtschaftlichen Unterschiede über Erfolg oder Misserfolg bestimmen könnten. Diejenigen, die zwar kein ausreichendes Einkommen für die Beauftragung einer Rechtsanwältin, eines Rechtsanwaltes haben und sich keine Rechtsschutzversicherung leisten können, sind auch im Miet- und Arbeitsrecht schutzwürdig. Insbesondere wegen des Kostenprivilegs im Arbeitsrecht  ist das hier nicht tragbar.

Wir fordern Sie daher im Namen der von uns vertretenen Frauen und der alleinerziehenden Eltern auf, sich dafür einzusetzen, dass der Zugang zu effektivem Rechtsschutz nicht an den wirtschaftlichen Verhältnissen scheitert.

Es darf keine Zweiklassenjustiz geben, in der die wirtschaftlich stärkere Partei ihre Rechte auf Kosten des wirtschaftlich Schwächeren durchsetzen kann.

Gerne stehen wir für weitere Fragen und Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Ilona Helena Eisner, Vorsitzende
Monika Hoffmann, stellvertretende Vorsitzende

Viola Schirneck, Landesvorsitzende Verband Alleinerziehende Mütter und Väter e.V.

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